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Etwa zwei Drittel der sächsischen Bevölkerung wohnen im ländlichen Raum außerhalb der kreisfreien Städte. Gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land sind Ziele im Rahmen von Wirtschafts-, Struktur- und Regionalpolitik. Während in den Dörfern besondere Herausforderungen in der Sicherung der Daseinsvorsorge, z. B. im Bereich Mobilität oder medizinischer Versorgung bestehen, konzentrieren sich soziale Disparitäten oder Flächenverbrauch vor allem in den größeren Städten. Die Städte sind jedoch gleichermaßen Ursprung von Innovation, Wachstum und basisdemokratischen Aktivitäten. Für den ländlichen Raum könnte z. B. mit der Digitalisierung ein Umbruch bisheriger und gleichzeitig die Chance neuer Arbeits- und Lebensformen verbunden sein. Eine nachhaltige Strategie für den Freistaat basiert daher auf einer „verbundenen“ Betrachtung der städtischen und ländlichen Räume jeweils unter Beachtung der lokalen bzw. regionalen Bedingungen.
Schwerpunkte dieses Handlungsfeldes sind:
a) Zentrale Orte stärken, Daseinsvorsorge sichern, Wirtschaftsentwicklung im ländlichen Raum unterstützen
b) Integrierte Stadtentwicklung und Regionale Strategien der Ländlichen Entwicklung, interkommunale Zusammenarbeit
c) Erhalt der Attraktivität der Städte und Dörfer
d) Bezahlbares Wohnen sichern
e) Ökologischer, ressourcensparender und energieeffizienter Umbau von Gebäuden und Stadtquartieren
f) Erreichbarkeit und Mobilität
Das Handlungsfeld 5 „Städte und ländlichen Raum gemeinsam in die Zukunft führen“ soll insbesondere zur Umsetzung folgender globaler Nachhaltigkeitsziele (SDGs) beitragen:
Leitfragen:
Auf dem Land u. in Stadtnähe sollten „essbare Landschaften“ erhalten werden o. neu entstehen. Bestehende Feldhecken, Streuobstwiesen, Obstbaumalleen u. Sammlungen alter Nutzpflanzensorten u. Nutztierrassen müssen erhalten werden. Da in den letzten Jahrzehnten viele Feldhecken, Streuobstwiesen u. Obstbaumalleen beseitigt wurden, sollten auch viele neue Streuobstwiesen u. Feldhecken, die essbare einheimische Gehölze enthalten, gepflanzt werden. An Straßen mit geringem Verkehr, Feldwegen, Fuß- u. Radwegen können auch neue Obstbaumalleen angelegt werden. Flächen mit Obstgehölzen sollten wenn möglich biologisch bewirtschaftet werden. Streuobstwiesen u. Feldhecken mit einheimischem Wildobst bieten Lebensraum u. Nahrung für viele Tiere, von denen einige Arten selten geworden sind. Auf Streuobstwiesen lässt sich eine Vielzahl alter Kulturobstsorten erhalten. Viele alte Sorten sind relativ widerstandfähig u. eignen sich gut für biologischen Anbau. Das Obst kann in Läden vor Ort o. in der näheren Umgebung verkauft werden, so dass mehr Menschen alte Obstsorten kennenlernen können. Auch eine Bewirtschaftung in Form einer solidarischen Landwirtschaft o. finanziert durch Baumpatenschaften ist möglich. Bei der Auswahl an Wildobstarten sollte man sich daran orientieren, welche einheimischen Arten in einem Gebiet vorkommen o. früher dort vorkamen. Die genetische Vielfalt einheimischer Arten muss erhalten werden. Seltene Arten sollten vermehrt neu angepflanzt werden.
Bei der Gestaltung der Städte sollte das Konzept der „essbaren Stadt“ genutzt werden: Auf öffentlich zugänglichen Flächen werden Lebensmittel produziert (z. B. Obst, Gemüse, Kräuter, Pilze, tierische Produkte). Die Bürger/-innen haben einen direkten Zugang zu diesen Lebensmitteln u. können sich an der Planung, Pflanzung u. Pflege beteiligen. Bestehende Streuobstwiesen, Obstbaumalleen, Wildobst(hecken), Sammlungen alter Nutzpflanzenarten/-sorten u. Nutztierarten/-rassen müssen erhalten bleiben, um die große biologische Vielfalt u. den ökologischen Mehrwert zu erhalten. Kulturobst u. -gemüse muss regelmäßig gepflegt werden. Wenn die Menschen vor Ort einen Zugang zu einer großen Vielfalt an gut schmeckenden Sorten haben, haben sie einen höheren Anreiz, diese zu erhalten, zu pflegen, zu vermehren u. zu verbreiten. In den Städten gibt es eine steigende Nachfrage nach natürlich produzierten Lebensmitteln (dies zeigt z. B. der Trend zu mehr Gemeinschaftsgärten, verstärkter Haltung von Bienen u. Hühnern in Städten und die steigende Nachfrage nach Bioprodukten). Gleichzeitig gibt es kaum noch Obstgehölze in den Städten. In Parks, an Spielplätzen, auf Wiesen und ähnlichen städtischen Grünflächen sollten (Wild-)Obstgehölze gepflanzt werden statt reiner Ziergehölze, welche meist nur wenigen Tierarten einen Lebensraum /Nahrung bieten u. zum Teil giftig u./o. invasiv sind. Aber auch an Straßen, die nicht zu stark befahren sind, ist ein Anbau von Obst für den menschlichen Verzehr möglich.
- Schadstoffbelastungen im inneren von Gebäuden sehr viel höher als draußen (Feinstaub, Mikropartikel, ausdampfen von Chemikalien etc.). Wird in Diskussion um Feinstaubwerte leider oft vergessen. Hier bestehen aber Chancen wirklich gesunde Räume, Gebäude und Städte zu schaffen. (z.B. Fixierung von Partikeln in Teppich, Nutzung von Schadstofffreien Materialien beim Neubau oder bei der Sanierung von Gebäuden). - Pflanzen können bei der Fixierung von Schadstoffen helfen. Insbesondere in den Großstädten kann durch mehr Bepflanzung und größere Grünflächen die Luftqualität verbessert werden. - Durch Einrichtung von Modellregionen kann der Freistaat zukunftsfähige, konsistente Gebäude und Infrastrukturen fördern und erproben. Die Stadt Venlo (Niederlande) hat dies bereits etabliert und kann auf die positiven Effekte für Mensch und Umwelt verweisen. In NRW und am Bodensee sollen ebenfalls Modellregionen nach Cradle to Cradle Prinzipien entstehen. Sachsen kann hier Teil der positiven Entwicklung sein. - Häuser wie Bäume, Städte wie Wälder. Nach Cradle to Cradle Prinzip - konsistent nachhaltig bauen!
Neben dem Aspekt der Bildung spielt hier auch das Thema Beteiligung eine entscheidende Rolle. Kann ich mich selbst in die Entwicklung meiner Kommune einbringen, gewinnt sie für mich an Attraktivität und „Halte- oder Bindewirkung“. Darüber hinaus ist Beteiligung einerseits als lebenspraktische (politische) Bildung zu sehen und bietet andererseits vielfältige Chancen zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts (→ Handlungsfeld 8; siehe auch Handlungsfeld 2 inkl. Verweis auf JugendBeteiligungsLandschaft). Mobilität spielt insbesondere in ländlichen Räumen eine große Rolle. Hier müssen unbedingt auch die Bedürfnisse der jungen Generation einbezogen werden. ÖPNV-Verbindungen allein zum Zweck der Schulbeförderung sind nicht ausreichend! Es braucht hier neuer Herangehensweisen, die die Perspektiven und Wünsche Jugendlicher einbezieht und ernst nimmt. Neben dem ÖPNV spielt dabei auch der Ausbau des Radwegenetzes eine wichtige Rolle.
Zahlreiche Untersuchungen in jüngerer Vergangenheit haben gezeigt, dass Bildung – im weitesten Sinne – heute ein sehr wesentlicher Faktor für den Erhalt der Attraktivität von Gemeinden ist. Dies muss in diesem Handlungsfeld unbedingt bedacht werden. Hierbei geht es nicht allein um die Gestaltung einer ausreichenden Schulstruktur. Vielmehr bedarf es auch der Stärkung von Strukturen der Jugendarbeit. Junge Menschen brauchen in ihren Heimatorten/Wohnorten Räume, die sie sich selbst aneignen und gestalten können. Fachkräfte aus dem Bereich Jugendarbeit bieten dabei Begleitung und Unterstützung; benötigen hierfür allerdings auch verlässliche Rahmen- und Arbeitsbedingungen.
Sicher gibt es Gründe dafür, dass die Anzahl der Handlungsschwerpunkte im Vergleich zu 2013 stark reduziert wurde. Allerdings kann sich hinter einigen der Handlungsschwerpunkten in der Praxis nun alles mögliche verstecken: Erreichbarkeit und Mobilität kann heißen, dass weiter überdimensionierte Ortsumfahrten, Autobahnzubringer oder Schnellstraßen gebaut werden, oder dass man auf Innenentwicklung und den Umweltverbund setzt. Erhalt der Attraktivität der Städte und Dörfer kann heißen, dass durch die Ausweisung neuer dezentraler Baugebiete die Zersiedelung und autobasierte Lebensweisen unterstützt werden oder auch eine Kernverdichtung und -attraktivierung angestrebt wird. Was ist also gemeint?
In Ergänzung des Zieles einer Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme wurden in der Nachhaltigkeitsstrategie für den Freistaat Sachsen 2013 Ziele definiert, die ebenfalls dem Flächensparziel dienen (z. B. Innenentwicklung vor Außenentwicklung und Revitalisierung und Nachnutzung von Brachflächen). Nach der Richtlinie des SMI zur Förderung von Maßnahmen zur Beräumung von Brachen werden jedoch zur Beräumung von Brachen unabhängig von ihrer Lage im Innen- oder Außenbereich 90% Fördermittel nur gewährt, wenn die Gemeinde die beräumten Grundstücke in den nächsten 10 Jahren nicht veräußert. Hier sollte gerade die Wiedernutzbarmachung von Brachen im Innenbereich im Vordergrund stehen. Möglicherweise sollte die Förderung an andere Bedingungen geknüpft werden, z. B. Entwicklung eines kommunalen Baugebietes mit Preisbindung bei Veräußerung. Ein Festhalten an den o. g. Zielen der Nachhaltigkeitsstrategie ist unbedingt erforderlich. Geeignetere Maßnahmen zur Umsetzung sollten gefunden werden.
Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung ist als Querschnittsthema durch interdisziplinäre, koordinierende Kompetenzträger zu untersetzen.
Mit ihren Beratungsstellen vor Ort wirkt die Verbraucherzentrale der schrumpfenden Infrastruktur auf dem Land entgegen. Die Beratungsstellen, denen die Verbraucherinnen und Verbraucher ein hohes Vertrauen entgegenbringen, sind zentrale Anlaufstelle für eine stetig steigende Zahl von Themen und Fragen der Anwohner. Eine Stärkung der Beratungsstellen der Verbraucherzentrale Sachsen fördert den Erhalt und die Attraktivität ländlicher Wohngebiete. Im besten Falle finden sie sich mit Beratungsstellen anderer Institutionen in Kompetenzzentren zusammen. Regionen, die nicht mit Beratungsstellen abgedeckt sind, beabsichtigt die Verbraucherzentrale Sachsen mit einem Infomobil anfahren, dass neben Beratungskompetenz auch digitale Angebot in die Fläche bringt, insbesondere für diejenigen, die zuhause nicht über einen Internetzugang verfügen. Mit einem solchen mobilen Angebot könnte die Verbraucherzentrale Sachsen entscheidend zur Abdeckung des Beratungs- und Kommunikationsbedarfs ländlicher Gebiete beitragen.
Die Verbraucherzentrale Sachsen befasst sich intensiv mit der Mobilität der Zukunft, insbesondere den Chancen, die vernetzte Mobilität für den ländlichen Raum eröffnet. Öffentlicher Verkehr muss viel stärker nachfrageorientiert und auf Anforderung arbeiten. Wichtig ist zudem eine Verknüpfung mit anderen Formen der Beförderung wie Leihfahrzeugen und Mitfahrangeboten. Sinnvollerweise erfolgt die Verknüpfung digital durch eine App, um die Nutzung aus einem Guss zu gewährleisten. Entscheidend für das Gelingen eines vernetzten Verkehrs im ländlichen Raum ist die Zusammenarbeit aller Beteiligten. Mit einer Veranstaltung „Smart City“ am 19. Oktober in Leipzig wird die Verbraucherzentrale Sachsen Verbraucher, Anbieter, Forschung, Politik und Kommunen an einen Tisch bringen, um über die Bedürfnisse der Mobilitätsnutzer und Lösungsmöglichkeiten zu sprechen. Dabei wird es auch um Innovation und Vernetzung der Mobilität für den ländlichen Raum gehen.