Bürgerinnen und Bürger sowie zivilgesellschaftliche Institutionen werden in Deutschland im Rahmen von formellen und informellen Verfahren an Planungsvorhaben, Entscheidungsfindungen und allgemein der Gestaltung von Politik beteiligt. Formelle Verfahren sind gesetzlich vorgeschrieben und werden seit Jahrzehnten durchgeführt, um Betroffene und relevante Akteure in Planungsverfahren einzubeziehen. Daneben findet auch in Gesetzgebungsverfahren auf Landes- und Bundesebene eine Beteiligung von Verbänden statt, die obligatorisch und rechtlich geregelt ist. Die Öffentlichkeitsbeteiligung findet in diesen Fällen somit auf Grundlage von rechtlichen Vorgaben statt, zu denen bspw. in der Regel auch das Schriftformerfordernis für Rückmeldungen der Beteiligten gilt. Das Schriftformerfordernis legt fest, dass die Stellungnahmen, die bei der Verwaltung eingehen, schriftlich abgefasst sein müssen sowie mit Unterschrift versehen sein müssen. (Inwieweit diese rechtliche Anforderungen Auswirkungen auf die Beteiligung über E-Partizipationssoftware hat, wird in Kapitel 2.2.1 nochmals kurz beleuchtet.)
Informelle Beteiligungsverfahren sind dagegen rechtlich nicht geregelt, werden aber bspw. im Zuge von Planungsvorhaben im Rahmen einer „frühen Öffentlichkeitsbeteiligung“ empfohlen oder verbindlich festgelegt. Daneben werden informelle Partizipationsverfahren in vielfältigen Formen durchgeführt, um interessierten Bürgern die Möglichkeit zu geben, mit ihren Meinungen und Ideen in Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden. Beispiele dafür sind:
• Online-Konsultationen von Gesetzentwürfen oder politischen Strategiepapieren: Was kann verbessert werden? Welche Auswirkungen sind gewünscht?
• Online-Dialoge zur Politikfeldgestaltung und für Agenda Setting: Über was muss gesprochen werden?
• Online-Diskussionen über aktuelle Entscheidungen: Welche Argumente oder Fakten wurden übersehen? Wie könnte ein Kompromiss aussehen?
• Ideen-Wettbewerbe, bspw. zum Klimaschutz oder in der Stadtentwicklung: Welche Vorschläge gibt es? An welche Möglichkeit hat noch keiner gedacht?
Über diese Beispiele zur Anwendung von E-Partizipationsformaten hinaus wurden auch weitere Online-Verfahren durchgeführt und neue Formen und Anwendungsfelder werden kontinuierlich weiterentwickelt. Leicht nachvollziehbar ist diese Entwicklung, wenn die Gründe, die für E-Partizipation sprechen, vor Augen geführt werden:
• Durch technische Unterstützung können Aufwände reduziert und Ressourcen gespart werden
• Information: Kommunikation über die Verfahren kann online mehr Menschen erreichen als bisher.
• Durchführung: Unterlagen können digital versendet werden, um Papier und Porto zu sparen
• Auswertung: Rückmeldungen können mit technischer Unterstützung besser strukturiert, sortiert und damit leichter ausgewertet werden
• Die Zusammenarbeit bei der Auswertung kann durch digitale Tools erleichtert werden
• Durch die nachvollziehbare Darstellung des Entscheidungsprozesses online kann Akzeptanz geschaffen werden
• Auswirkungen der Planung und weitere Informationen können leichter/interaktiv aufgezeigt werden – dies fördert die Qualität der Beteiligung
• Alternativen können visualisiert und kommentiert werden
• Bei öffentlichen Stellungnahmen: das mitunter breite Meinungsspektrum kann transparent aufgezeigt werden
• Durch die Möglichkeit sich zeit- und ortsunabhängig zu äußern werden Hürden dafür abgebaut, sich zu beteiligen
• Die vielerorts verbreitete Erwartung wird erfüllt, es den Menschen so leicht wie möglich zu machen, sich zu beteiligen
• Durch die Beteiligung breiter Bevölkerungsteile können Entscheidungen verbessert werden
• Wichtige Hinweise, die sonst ggf. erst später im Prozess zu Problemen geführt hätten, können frühzeitig identifiziert werden, weil sich mehr Menschen einbringen können
Bürger oder Bürgerin ist man in der Regel, sobald man das 18. Lebensjahr vollendet hat (nur in einigen Ländern das 16. Lebensjahr). Beteiligungsprozesse können allerdings bereits deutlich früher ansetzen. So z.B. die Umsetzung des EU-weiten „Strukturierten Dialogs mit der Jugend“, der von den nationalen Jugendminister/-innen 2009 vereinbart worden ist. Gerade durch onlinebasierte Formate können Jugendliche bereits in gesellschaftliche Mitwirkungsverfahren eingebunden werden, die nicht zwingend die Erreichung des Wahlalters voraussetzt. Es wäre daher wünschenswert, wenn „Bürgerinnen und Bürger und Minderjährige“ als Zielgruppe inkludiert würden.
Werden Beteiligungsverfahren digital begleitet oder durchgeführt sind sie gleich transparent dokumentiert.
Bereits in diesem frühen Stadium muss kommuniziert werden, mit welchem Ziel online beteiligt wird. Es braucht dazu klare Spielregeln, die allen Beteiligten bekannt sind (bekannt gemacht werden). Politik muss bereits zu Beginn transparent formulieren: Diese Ergebnisse dienen etwa dazu, ein aktuelles Meinungsbild in Echtzeit aus der Bevölkerung zu bekommen. Oder: Diese Ergebnisse fließen in die Entscheidungsfindung mit ein, auch die Nennung von Alternativen. Es empfiehlt sich, eine Grundtransparenz bereits in der Gremien- und Ausschussarbeit herzustellen, die als Prämisse in den Online-Diskurs mit einfließt. Und sichtbar ist. Also: Vernetzung zur politischen Diskussion in den Ausschüssen.